Die IS- Prozesse
Transkript Interviewausschnitt: Andreas Keppler (1)
!Bearbeitetes O-Ton-Transkript!
Das Oberlandesgericht Celle ist eines von drei Oberlandesgerichten in Niedersachsen, und zwar das größte in Niedersachsen. Wir sind zuständig hier, mit ungefähr 100 Richtern, für Zivilrecht und Strafrecht.
Zivilrecht, das sind immer Fälle, wenn zwei Menschen, zwei Unternehmen, was auch immer, sich streiten, wer was bekommen kann, wer Recht hat. Und Strafrecht, das sind die Fälle, die Sie interessieren. Das sind Fälle, wo Menschen Verbrechen begangen haben oder möglicherweise Verbrechen begangen haben. Auch das ist ja unsere Aufgabe – nicht nur zu bestrafen, sondern aufzuklären, hat jemand überhaupt Verbrechen begangen oder nicht.
Das Oberlandesgericht Celle ist wie alle anderen Oberlandesgerichte überwiegend ein Rechtsmittelgericht, d. h. wir bekommen die Fälle, die die Landgerichte oder teilweise auch die Amtsgerichte entschieden haben und überprüfen, ob die Landgerichte oder Amtsgerichte richtig entschieden haben. Wir haben, wie gesagt, einen relativ großen Bezirk, der geht von der Nordsee bis an den Harz. Die Landgerichte Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Stade, Verden und Bückeburg gehören zu unserem Bezirk. Und alle Verfahren, die dort gelaufen sind, können unter bestimmten Voraussetzungen zu uns kommen und von uns überprüft werden.
Über uns steht noch der Bundesgerichtshof, d.h. unsere Entscheidungen sind manchmal auch nicht die letzten Entscheidungen, sondern können möglicherweise wieder vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe überprüft werden. Eine Besonderheit gibt es im Strafrecht. Die Justiz ist grundsätzlich Aufgabe der Bundesländer, also hier des Bundeslandes Niedersachsen. Straftaten, die den Staat selber oder die Grundlagen unserer Demokratie gefährden, werden aber vom Bund verfolgt, nicht vom Land. Das sind etwa Verfahren wegen Spionage, wegen Hochverrat, wegen Völkermord, wegen Kriegsverbrechen, aber auch wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung. Ursprünglich war der Bundesgerichtshof in Karlsruhe erstinstanzlich für diese sogenannten Staatsschutzverfahren zuständig. Aber es gab damals keine zweite Instanz, die diese Urteile überprüfen konnte und darum ist 1969 die Zuständigkeit vom Bundesgerichtshof auf die Oberlandesgerichte übergegangen und deshalb verhandeln wir hier, am Oberlandesgericht Celle, solche Staatsschutzverfahren in erster Instanz, d. h. hier beginnt der Prozess, hier endet er mit einem Urteil und kann dann vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe überprüft werden.
Das OLG Celle ist dabei für ganz Niedersachsen zuständig. Es gibt also pro Bundesland immer höchstens ein Oberlandesgericht, dass diese Verfahren führt. Die Ermittlungen und Anklagen führt aber grundsätzlich nach wie vor der Generalbundesanwalt in Karlsruhe. Nehmen Sie einmal als Besucher_in an einer Verhandlung teil, dann werden Sie merken, dass alle Beteiligten in schwarzen Roben dort sind, nur die Vertreter_innen der Generalbundesanwaltschaft in scharlachroten Roben der Bundesjustiz. Einfach, weil das die Aufgabe des Bundes ist. Hier aber am Oberlandesgericht Celle gibt es zwei sogenannte Staatsschutz Senate, die diese Verfahren verhandeln und entscheiden. Jeder Senat entscheidet mit fünf Richterinnen und Richtern, teilweise auch bei übersichtlicheren Verfahren mit drei Richterinnen und Richtern, d.h. keiner… kein Verfahren wird von einem einzelnen Richter oder einer einzelnen Richterin entschieden. Die Richter führen die Verhandlung durch, sie kennen natürlich die Akten, aber wichtig und maßgeblich ist nur das, was auch in der Verhandlung ausgesagt wird, bekundet wird, bezeugt wird und das müssen Richter dann auf sich wirken lassen und prüfen, ob sie aufgrund… auf dieser Grundlage eine Überzeugung bilden können, dass der Vorwurf tatsächlich stimmt. Wenn Zweifel bestehen, müssen sie freisprechen. Das ist ganz wichtig, auch wenn der Verdacht noch so schlimm sein mag, niemand darf verurteilt werden, wenn Zweifel bestehen, dass er das gemacht hat.
Bearbeitungshinweis: In Fällen, in denen im mündlichen Interview das generische Maskulinum verwendet wurde, haben wir uns entschieden, in der bearbeiteten Textversion die Schreibweise mit einem Unterstrich zu verwenden. Dies soll verdeutlichen, dass Menschen aller Geschlechter gemeint sind.