Oberlandesgericht Celle

Die IS- Prozesse

Transkript Interviewausschnitt: Andreas Keppler (3)

!Bearbeitetes O-Ton-Transkript!

Wir haben, wie ich eben schon geschildert habe, eine sehr weite Bandbreite von Personen, die Verbrechen im IS begehen. Wir haben einmal natürlich die Rädelsführer oder auch ganz hohe Autoritäten. Wir haben aber auch relativ viele, die im Grunde aus einem recht normalen Leben reinrutschen und dann aber mitspielen, mitmachen und sich dadurch auch strafbar machen.

Eine solche Täterin war zum Beispiel Romiena S., sie war eine sogenannte Rückkehrerin, d.h. sie war zwischenzeitlich auch im Kampfgebiet im IS. Hat nicht selber gekämpft, aber hat dort den IS unterstützt und ist zurückgekommen. Romiena S. ist auf einem nicht untypischen Weg in die islamistische Szene gekommen. Sie hatte eine Kindheit mit Brüchen und mit durchaus schweren Schicksalsschlägen und lernte dann im heranwachsenden Alter über einen Partner den Islam kennen. Sie konvertierte und sie radikalisierte sich in der Hoffnung, in den festen Strukturen, die dort herrschen, Halt zu finden und zu einer Gruppe dazuzugehören. 2014 reiste sie dann nach Syrien aus und schloss sich dort der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat an, und dabei nahm sie und das ist ein durchaus bemerkenswerter Punkt hier, ihre damals vierjährige Tochter gegen den Willen des Vaters mit ins Kampfgebiet nach Syrien. In dem sie sich dort um den Haushalt mit ihrem neuen Ehemann kümmerte, ermöglichte sie es verschiedenen Ehemännern an Kampfhandlungen teilzunehmen. Sie fügte sich darüber hinaus in das menschenverachtende System des IS ein. Sie erzog ihre Tochter, sowie ihre weiteren in Syrien geborenen zwei Söhne, im Sinne der radikal islamistischen Lehre des IS. Ihre damals sechsjährige Tochter nahm sie zum Beispiel auch zu einer Steinigung einer Frau mit und sie zeigte ihr Hinrichtungsvideos. Über Twitter veröffentlichte sie verschiedene Kurznachrichten, in denen sie ihre Zustimmung zu Anschlägen des IS in Europa zum Ausdruck brachte. Schließlich nutzte sie im Haushalt eines Sklavenhändlers für einige Tage die Arbeitskraft einer versklavten Ezidin und überwachte sie bei einem Gang in die Stadt.

Sie ist dann in kurdische Gefangenschaft gekommen. War über zwei Jahre in Lagern im kurdischen Gebiet inhaftiert und wurde dann von der Bundesrepublik Deutschland in einer Rückholaktion zurückgeholt. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich damals insbesondere um Frauen gekümmert, die Kinder hatten, die möglicherweise so wie hier die Tochter von Romiena S. auch noch einen weiteren Elternteil hier in Deutschland hatten und hat diese Frauen mit den Kindern zurückgeholt. Romiena S. hat ihre Taten im Prozess weitgehend eingeräumt. Ihr Geständnis wurde dabei in der durchgeführten Beweisaufnahme überwiegend bestätigt und sie hat sich vor allen Dingen nach der Überzeugung des Senats zwischenzeitlich glaubhaft vom IS distanziert. Insbesondere hat sie auch selbst daran gearbeitet, anderen Menschen zu helfen, aus der Organisation herauszukommen und sich selbst innerlich davon zu distanzieren. Weiter hatte der Senat zu ihren Gunsten berücksichtigt, dass sie keine Hardlinerin war und der Anschluss an den Islamischen Staat für sie auch eine Flucht aus ihrer ursprünglichen recht verkorksten Lebenssituation darstellte. Der Senat hat Romiena S. deshalb wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, wegen schwerer Entziehung Minderjähriger, wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht und wegen Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Dabei hatte er auch berücksichtigt, dass Romiena S. bereits mehr als zwei Jahre im kurdischen Lagern inhaftiert war.

Bearbeitungshinweis: In Fällen, in denen im mündlichen Interview das generische Maskulinum verwendet wurde, haben wir uns entschieden, in der bearbeiteten Textversion die Schreibweise mit einem Unterstrich zu verwenden. Dies soll verdeutlichen, dass Menschen aller Geschlechter gemeint sind.